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Hans-Frankenthal-Preis der Stiftung Auschwitz-Komitee in Hamburg verliehen

Ende Oktober wurde in Hamburg der Hans-Frankenthal-Preis der Stiftung Auschwitz-Komitee verliehen. Mit diesem Preis werden jedes Jahr Gruppen, Initiativen und Institutionen ausgezeichnet, die Aufklärungs- und Bildungsarbeit gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen und gegen nationalsozialistische und neofaschistische Bestrebungen leisten.

In diesem Jahr erhielt u. a. die Arbeitsgruppe „Tagebuch der Gefühle“ (Halle/Saale) diesen Preis, in der unsere Schülerin Vanessa Hertel (Klasse 10a) intensiv mitarbeitet. Die Preisverleihung fand in der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky in Hamburg statt; im Anschluss stellten sich die Preisträger und Teilnehmenden ihre spannenden Projekte gegenseitig vor und gingen in den Austausch. Besonders interessant war der Austausch mit Zeitzeugin Frieda Larsen, die zu Zeiten des Nationalsozialismus als „Mischling“ galt, da ihr Vater der Gruppe der Sinti zugerechnet wurde. Die Familie wurde gezwungen „sesshaft“ zu werden und versuchte sich unauffällig in die neue Nachbarschaft einzugliedern, um als Sinti-Familie keine weiteren Diskriminierungen zu erfahren.

Das „Tagebuch der Gefühle“ ist ein Projekt, bei welchem Schüler*innen an die Orte der Verbrechen reisen, sich auf Spurensuche begeben, Gedenkstätten besuchen, mit Zeitzeugen sprechen und dabei ihre Gedanken und Gefühle aufschreiben. Auf diese Weise entstehen die Tagebücher, historische Fakten, verknüpft mit den ganz spezifischen Gefühlen der Jugendlichen, in ihrer Sprache geschrieben, sodass es jeder verstehen kann. Ziel ist es, über die Geschichte und die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuklären – und das von Schüler*in zu Schüler*in, Wissenslücken zu schließen und das Thema anderen Jugendlichen greifbar machen. Über die reine Schriftform hinaus existieren mittlerweile auch viele Filme auf YouTube, eine Seite auf Instagram, Gedichte und Zeichnungen. Von ihren Erfahrungen berichten die Schüler*innen in Lesungen, bei denen sie ihre Tagebücher vorstellen.

Ein Motiv der Arbeit in der Arbeitsgruppe ist der Umstand, dass die Partizipierenden der Ansicht sind, dass der Nationalsozialismus mit seinen Verbrechen und insbesondere die Entwicklung des Antisemitismus in Deutschland im Unterricht viel zu oberflächlich behandelt werden. Einige aus der Projektgruppe, die nicht die Möglichkeit hatten, einen höheren Schulabschluss als die Hauptschule zu erreichen, haben teilweise noch nie etwas von einer Diktatur gehört, geschweige denn wissen sie, was das ist. Diesen Problemen nimmt sich die Arbeitsgruppe an, arbeitet Geschichte auf und diskutiert in den Lesungen und auf Instagram mit jungen, gleichaltrigen Menschen auf der ganzen Welt.

Das erste Tagebuch wurde im Jahr 2012 fertiggestellt, nachdem es 2011 zu einer einwöchigen Fahrt nach Auschwitz kam, an der ausschließlich Jugendliche von der Stiftung Bildung & Handwerk (SBH) – Südost teilnahmen. Im Anschluss fanden bis 2015 regelmäßig Lesungen in ganz Sachsen-Anhalt statt. Im Jahr 2018 kam es zu einer Kooperation zwischen der SBH-Südost und der KGS Ulrich von Hutten in Halle (Saale), infolge dessen das „Tagebuch der Gefühle“, Teil 2 entstand. Die neu entstandene Projektgruppe beschäftigt sich insbesondere mit dem Thema Nationalsozialismus und speziell der Verfolgung und Tötung von halleschen Juden. Es folgten Lesungen in Schulen und Einrichtungen; die Premiere erfolgte auf Einladung des Oberbürgermeisters Dr. Bernd Wiegand im Stadthaus Halle (Saale)

Für das „Tagebuch der Gefühle“, Teil 3 begaben sich die Mitarbeiter*innen auf Spurensuche in Sachsen-Anhalt; sie besuchten unter anderem die Gedenkstätte Roter Ochse in Halle (Saale), die Gedenkstätte Bernburg und den Jüdischen Friedhof Halle. Das Projekt wächst weiter: Mittlerweile sind Vertreter*innen aus 7 Bildungseinrichtungen im Projekt dabei.

Am 09.10.2020, dem ersten Jahrestag des antisemitischen Attentats von Halle (Saale), begann die Arbeit am „Tagebuch der Gefühle“, Teil 4. Kernpunkt der Arbeit ist die Frage, warum der Antisemitismus in Deutschland bis heute nicht verschwunden ist. Dabei lenken die Mitarbeiter*innen den Blick entsprechend auf die Zeit nach 1945 und versuchen zu ergründen, welche „Fehler“ in den beiden deutschen Staaten bei der Aufarbeitung gemacht wurden. Aufklärung soll es dabei über beide Seiten radikaler politischer Flügel geben. Die Projektgruppe will dabei auch als „Detektiv“ auch Spuren eines halleschen Täters bis nach Auschwitz folgen.

Am 09.10.2021 veröffentlichte die Projektgruppe im „Roten Ochsen“ in Anwesenheit der ARD das „Tagebuch 4.1“, dem in den kommenden drei Jahren jeweils ein weiteres folgen wird. Damit werden die Projektteilnehmer*innen dem Hier und Jetzt immer näher rücken.

Dabei wollen sie stets wachsam bleiben und ihre Spurensuche fortsetzen, denn:

Sie sind die neuen Zeitzeugen.